Qualität

Die Qualität in der Krise

Michael Flunkert / 15.06.2020

In Zeiten der Corona-Krise erfahren wir auf schmerzhafte Weise, wie verwundbar das System ist, in dem wir leben und agieren. Die notwendigen Sofortmaßnahmen der Regierung hinterlassen tiefe Spuren im Privatleben der Menschen und in der globalen Wirtschaft. Internationale Liefernetze müssen sich schnell von den massiven Einschränkungen der vergangenen Wochen erholen, damit unsere Unternehmen diese schwere Rezession möglichst ohne großen Schaden überstehen. Den Wirtschaftsstandort Deutschland erwarten also erneut herausfordernde Zeiten, in denen sich die Akteure zum Teil ganz neu am Markt positionieren und mehr denn je auf das besinnen müssen, was unseren Standort überhaupt stark gemacht hat: das Qualitätsversprechen „Made in Germany“.

Das gilt während der Krise, wenn Menschen auf ein funktionierendes Gesundheitssystem und auf die gute Qualität von Produkten angewiesen sind, die unser Leben und Überleben sicherstellen. Das Qualitätsversprechen sollte jedoch auch dann gelten, wenn sich die Wirtschaft wieder im Aufschwung befindet und sich Unternehmen mit guter Produkt- sowie Prozessqualität am Markt behaupten müssen. Dabei darf es uns noch gut in Erinnerung geblieben sein, wie der Klimawandel vor dieser weltumspannenden Krise alle Schlagzeilen beherrschte. Dem Thema Klimaschutz werden wir uns wieder im vollen Umfang widmen dürfen – an Herausforderungen mangelt es uns nicht. In diesen Zeiten ist unsere Industrienation wahrlich gefährdet. Und uns ist heute klarer denn je – unser aller Wohlstand basiert maßgeblich auf unserer Industrie. Diesen Wohlstand zu sichern ist eine ebenso vorrangige Aufgabe wie der „Klimaschutz“. Denn ohne eine florierende Wirtschaft wird sich weder die Umwelt retten noch angenehm leben lassen.

Die drei Faktoren für eine erfolgreiche Zukunft

In diesem Sinne müssen wir Ökonomie und Ökologie verbinden, nicht trennen. Dieser Bedarf ergibt sich aus dem dritten Faktor, den es zu berücksichtigen gilt: den sozialen Belangen. Nachhaltige Entwicklung erfordert, dass ökonomische, ökologische sowie soziale Belange gleichermaßen berücksichtigt werden; entsprechend müssen auch alle drei Faktoren Gegenstand unternehmerischen Handelns sein. Kurzfristige Entscheidungen bringen diese drei Aspekte in den Widerspruch. Bei vorausschauender Betrachtung können sie sich aber positiv entwickeln und der Nachhaltigkeit dienen. Das darf man als Chance erachten. Wir müssen nicht nur den ökologischen, sondern genauso den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Klimawandel“ mitgestalten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten dabei unser Land zu unterstützen, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Das gilt vor allem für die Politik. Die hat ihre Hausaufgaben noch zu machen. Doch es liegt auch in unserer unternehmerischen Verantwortung, den Wirtschaftsstandort Deutschland auf diesen Wandel vorzubereiten.

Wo wir weilen …

Im „wirtschaftlichen Klimawandel“ müssen wir uns auf unsere Stärken besinnen. Eine wahre „Stärke unseres Wirtschaftsstandorts“ ist unser Anspruch an eine hohe Qualität. Made in Germany – Innovation, Zuverlässigkeit & Qualität – ist immer noch ein Ausdruck unserer Kompetenz in Sachen „Qualität“. Dazu zählt die technische Qualität der Produkte und eine fehlerfreie Abwicklung aller mit dem Produkt in Verbindung stehenden Prozesse und Dienstleistungen. Und der Anspruch wächst. Heute kommen neue Qualitätskriterien hinzu, die nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch in der Lieferkette nachgewiesen werden müssen. Für ein Unternehmen darf der Umweltschutz heute kein Hemmnis oder Kostenfaktor mehr sein. Er ist jetzt nicht mehr „ein Problem“, sondern Teil der Lösung. Diese Ansprüche gelten auch für die Lieferkette. Bisher gibt es noch kein verabschiedetes „Lieferkettengesetz“, aber um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden ist ein Unternehmen gehalten, auch heute schon nachhaltig zu arbeiten. Da gehört die Bewertung von Arbeitsbedingungen oder der Umweltverträglichkeit von Produktionsprozessen in der Lieferkette dazu. Das natürlich alles im Dienst unseres Marktes, im Sinne einer „Service Excellence“ für den Kunden. Die konsequente Ausrichtung der Unternehmensstrategie auf umfassende Qualität und sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Kundenzufriedenheit, bis hin zum Anspruch der Kundenbegeisterung, führt zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen. Hier ist es Ziel, sich durch konsequente Kunden-, Prozess- und Mitarbeiterorientierung dem gegebenen Verdrängungswettbewerb am Markt zu stellen.

… und wohin wir wollen.

Qualität ist und bleibt die Stärke der deutschen Industrie, getragen vom deutschen Mittelstand. Damit ist Deutschland Maßstab und Impulsgeber für die Industrie in Europa und die ganze Welt. So darf Qualität für ein zukunftsfähiges Unternehmen keine „Pflichtübung“ sein, sondern ist wichtiger Bestandteil einer Unternehmensstrategie, mit der man sich am Markt behauptet und seinen Wettbewerbsvorteil sucht. Damit ist Qualität elementarer Bestandteil der unternehmerischen Verantwortung. Viele Unternehmen sind sich darüber im Klaren, manche haben Nachholbedarf. Aber alle haben Bedarf an Qualität – im gesamten industriellen Markt. Und alle haben Potenziale in der digitalen Welt, ihre Prozesse zu optimieren. 

Bleibt die Frage, wie wir Qualität weiterentwickeln – wie wir Qualität stärken können – wie wir auch weiterhin Maßstab und Impulsgeber auf den Märkten dieser Welt bleiben. Andere Nationen sind uns auf den Fersen. Eine Wirtschaftsmacht wie China hat heute eine Kostenführerschaft und schielt auf „unsere“ Kompetenz – die Qualitätsführerschaft. Diese gilt es zu sichern, denn diese ist schlicht in Gefahr, auch aus unserem eigenen Fehlverhalten heraus. Aber genau hier verfügt die deutsche Industrie über einen wahren Trumpf.

Gemeinsam sind wir stark

Neben unserem Sinn für Qualität, unserem Selbstverständnis für die Erbringung guter Leistung mit einem immerwährenden Anspruch auf Verbesserung, liegt eine weitere Stärke schlicht in unserer offenen Gesellschaft. Wir sind getrieben von einer Kultur der partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Geprägt von einem ehrlichen Miteinander und erfolgreich im Sinne der Qualität unserer Leistung, auf die wir stolz sein können. 

Dies sind die Erfolgsfaktoren des deutschen Mittelstands. Das haben wir in der Vergangenheit bewiesen – der „German Mittelstand“ ist ein Erfolgsmodell. Und das basiert maßgeblich auf ehrlicher, vertrauensvoller – schlicht partnerschaftlicher Zusammenarbeit. In der Lieferantenbeziehung ergibt damit sich dadurch ein echter Marktvorteil. So darf man zu der Erkenntnis kommen, dass Qualität Teamwork ist. Ganz im Sinne einer Unternehmenskultur, die unserer menschlichen Intention näherkommt, so zu arbeiten, wie man das gerne möchte.

Ein Fehler ist ein Gewinn

Es gibt aber noch Entwicklungsmöglichkeiten. In der Automobilindustrie findet eine offene und ehrliche Kommunikation zum Umgang mit Fehlern oft nicht statt. Dazu bedarf es in der heutigen Zeit einer Unternehmenskultur, die im wahrsten Sinne Mut macht, aber auch mehr Mut braucht. Genau hier liegt der Schlüssel zur Optimierung und Verbesserung. Hier steht der Mehrwert einer positiven Fehlerkultur einer möglichen Vertragsstrafe bei Mängeln gegenüber. Aus Fehlern zu lernen bedeutet, an Wissen zu gewinnen. Zudem ist der offene Umgang mit Fehlern ein Beitrag zur Lösung und gleichzeitig Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Aber aus Angst vor Repressalien werden erkannte Probleme nicht angesprochen, bzw. ein Lernprozess nicht angestoßen. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit steckt hier großer Mehrwert für alle Beteiligten.

Jetzt heißt es: anpacken!

Wie können wir dieses Potenzial für unsere Wirtschaft besser nutzen? Was ist zu tun? 

  • Wir müssen unseren Anspruch an Qualität ernst nehmen. Sich auf unserem tollen Image „Made in Germany“ auszuruhen ist fatal. Wir brauchen eine positive Fehlerkultur, geprägt von einem offenen Umgang mit Fehlern, die uns im Ergebnis einen echten Qualitätsgewinn und einen Wissensvorsprung beschert.
  • Wir können besser kooperieren und die Kultur der partnerschaftlichen Zusammenarbeit weiterentwickeln – mit mehr Offenheit und Transparenz. Wenn die Unternehmen in der Lieferkette partnerschaftlich zusammenarbeiten und eine positive Fehlerkultur pflegen, entsteht eine Synergie, von der alle Beteiligten profitieren.
  • Unsere Stärke liegt in unserem hohen Anspruch an Qualität – mit weiterem Potenzial in der Lieferkette. Denn in einer guten Zusammenarbeit liegt die Kraft – auch unternehmensübergreifend.
  • Wir werden im digitalen Zeitalter neue Prozesse entwickeln, die dieses Potenzial besser ausschöpfen. Alles im Sinne der Qualität – im Sinne des fertigen Produktes am Ende der Lieferkette. 

Wer sich im digitalen Zeitalter strategisch positioniert, dem bieten sich heute völlig neue Möglichkeiten. Dabei darf man die Entwicklung der modernen Zusammenarbeit von Unternehmen nicht außer Acht lassen: Aus linearen Lieferketten sind längst verzweigte Liefernetze geworden, in denen Qualität nicht aus der Summe der Qualitätsbeiträge einzelner Lieferanten entsteht, sondern aus einer Vernetzung der beteiligten Menschen. Es gilt daher, sowohl eine starke Zusammenarbeit der Unternehmen im Liefernetz zu fördern als auch weitergehende Möglichkeiten für ein digitales Qualitäts- und Verbesserungsmanagement auszuschöpfen, weil darin ein erheblicher Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen liegt. Genau damit stärken wir unseren Wirtschaftsstandort im „wirtschaftlichen Klimawandel“ und sichern uns eine starke Rolle in der Weltwirtschaft. 

Im Sinne der Qualität zu handeln ist ein elementarer Bestandteil unserer unternehmerischen Verantwortung. Denn aus einem Vorteil der Gegenwart gelangen wir zu einem wahren Trumpf in der Zukunft. So entsteht Raum für eine neue Qualität, wo alle Handlungsstränge zusammenpassen und die Unternehmen der Lieferkette partnerschaftlich zusammenarbeiten. Ein Raum für neue Prozesse, die Qualität und Service Excellence fördern.

Stärke durch Qualität

Die Corona-Krise ist eine große Herausforderung, die uns viel in Sachen Verletzlichkeit unserer globalen Systeme und Prozesse lehrt. Eine Herausforderung, die uns aber auch weiterbringt, indem wir die gewonnen Erfahrungen aus dieser Extremsituation nutzen und darüber hinaus kritisch über den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, die Erderwärmung, endloses Wachstum und die Bedeutung partnerschaftlicher Zusammenarbeit in der Wirtschaft nachdenken. Diese Themen waren für uns schon vor „Covid-19“ eine Herausforderung – und werden es auch bleiben. Qualität wird entscheidenden Anteil daran haben, erfolgreich und erstarkt aus dem Schatten dieser Krise zu treten und die Zukunft unseres Wirtschafsstandorts nachhaltig positiv zu gestalten. Das wird uns nur gemeinsam durch geschlossenes Handeln gelingen.

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