Was waren eigentlich Inhalte des Qualitätsmanagements, als die Welt noch weitestgehend analog war? Digitalisierung – für die einen das Wort, für andere das Unwort der Stunde. Doch eins ist sicher: Heute geht nichts mehr ohne Digitalisierung, auch oder vor allem im Qualitätsmanagement. Der digitale Wandel ist ein entscheidender Prozess, bei dem die Qualitätsmanager eine Schlüsselrolle spielen; sie sehen sich in der digitalen Welt neuen Aufgaben, gar ganz neuen Handlungsfeldern ausgesetzt, derer sie sich vielleicht noch gar nicht bewusst sind.

Digitalisierung bedeutet Veränderung – nicht nur im Hinblick auf Unternehmensprozesse, sondern auch für die Qualitätsarbeit im Unternehmen. Diese Veränderung darf nicht als Selbstzweck verstanden werden. Sie ist eine Chance, interne sowie unternehmensübergreifende Prozesse nachhaltig zu verbessern. Gerade in Zeiten, in denen Produkte immer komplexer werden und vieles im Unternehmen sich in Wechselbeziehungen untereinander und zu anderen Unternehmen befindet, ist der richtige Umgang mit Qualitätsdaten essentiell für den Unternehmenserfolg. Das vielfach angewandte Ursache-Wirkungsdenken reicht nicht mehr aus und gut ausgebildete Qualitätsmanager sehen die Chance: Systemwissen wird gebraucht. Vielleicht vermutet man dieses Wissen (noch) nicht im heutigen Qualitätsmanagement. Aber was ist denn mit dem Kontext der Gesamtorganisation der ISO 9001:2015 anderes gemeint, als genau der systemische Ansatz und eben das Zusammenspiel vieler einzelner Elemente und interessierter Parteien?

Aus dieser Betrachtung heraus lassen sich neun relevante Handlungsfelder in drei Perspektiven für das heutige Qualitätsmanagement identifizieren. Diese beschreiben essentielle Anforderungen aus dem Tagegeschäft mit einer zukunftsgewandten Aufstellung des Qualitätsmanagements. Zielgruppen- und zielpersonenabhängig können einzelne Handlungsfelder dabei höher priorisiert oder auch ausgeschlossen werden. Bei Babtec orientieren wir uns in unserer Produktstrategie an allen Handlungsfeldern und bieten darauf aufsetzend entsprechende Inhalte für eine erfolgreiche Digitalisierung des Qualitätsmanagements.

Drei Betrachtungsweisen der Handlungsfelder

Die Handlungsfelder 1 bis 3 beschreiben die Situation des Qualitätsmanagements in Unternehmen aus der Sicht regulativer Anforderungen. Kunden- und Normanforderungen bestimmen das tägliche Handeln vieler Qualitätsarbeiter; Qualität wird dabei oftmals als Pflichterfüllung angesehen. Dabei geht Qualität als Managementdisziplin weit über diese Anforderungen hinaus; die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen mit dem Zweck des Unternehmens verbunden werden. Die Handlungsfelder 4 bis 6 beschäftigen sich mit der Qualitätsarbeit im Kontext zunehmend komplexer werdender Produkte, großer Datenmengen und digitaler Fabriken. Eine aktive Mitgestaltung sowie Weiterentwicklung der Unternehmensorganisation ist vor diesem Hintergrund eine entscheidende Voraussetzung. Daher wird die Situation des Qualitätsmanagements aus Sicht der Unternehmensführung in den Handlungsfeldern 7 bis 9 beschrieben.

Ein klares Verständnis für diese relevanten Handlungsfelder der Qualität ist notwendig, gefolgt von einer konkreten Umsetzungsplanung, die nicht an der eigenen Unternehmensgrenze endet, sondern alle interessierten Parteien ins Boot nimmt. Voraussetzung ist, dass die Qualitätsmanager sich selbst ins Spiel bringen. Sie müssen auf die Kollegen zugehen, mitgestalten und das entdecken, was Organisationen ausmacht: die Menschen dahinter, die mit Leidenschaft und Überzeugung Gutes tun und erreichen möchten.

Die Handlungsfelder im Detail

  1. (Automotive) Core Tools: Die (Automotive) Core Tools sind sechs Techniken bzw. Methoden, die unter anderem die Anforderungen der IATF 16949 unterstützen und sich gegenseitig ergänzen. Sie umfassen die Qualitätsvorausplanung (APQP), die Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA), die Messsystemanalyse (MSA), die Produktionsmusterabnahme (PPAP), die Statistische Prozesslenkung (SPC) und (ergänzend) die 8D-Methode. Die Automotive Core Tools waren, sind und bleiben auch in Zukunft priorisiertes Handlungsfeld für die Qualitätsmanager.
  2. Anforderungen, Normen, Gesetze: Es gilt, Kundenanforderungen, Richtlinien, Normen und Gesetze konform zu erfüllen. Herausforderung für das Qualitätsmanagement ist es, die zum Teil ambitionierten Anforderungen mit manchmal gegensätzlich aufgebauten Organisationsstrukturen oder Erwartungshaltungen im eigenen Unternehmen in Einklang zu bringen.
  3. Bestandsschutz: Wird das Qualitätsmanagement überhaupt in Gespräche über den notwendigen Wandel im Unternehmen oder über zukünftige Geschäftsmodelle miteinbezogen? Oder existiert das Qualitätsmanagement in einer Art „Elfenbeinturm“, ohne Bezug zum Alltagsgeschehen des Unternehmens? Das dritte Handlungsfeld folgt den ersten beiden Handlungsfeldern und sorgt für Akzeptanz des Qualitätsmanagements in Zeiten des Wandels. Auch ist es ein aktiver Beitrag bei der Entwicklung des neuen Berufsbilds eines Qualitätsmanagers.
  4. Komplexere Produkte: Damit es für den Verbraucher immer einfacher wird, wird es für das fertigende Unternehmen immer komplexer. Geschäftsmodelle wandeln sich und es ist kurzsichtig, an alten, liebgewonnenen Messverfahren und -aufgaben festzuhalten. Automatisiert wird, was sich technisch und wirtschaftlich automatisieren lässt. Das trifft auch auf Aufgaben in der Qualitätssicherung zu. Das Qualitätsmanagement ist gefordert, sich den neuen Möglichkeiten zu stellen, diese auf Umsetzung zu prüfen und alte Gewohnheiten ggf. durch neue Möglichkeiten komplett zu ersetzen. Hier kann der Qualitätsmanager mit einem prozessorientierten Ansatz als Übersetzer zwischen dem technisch Möglichem und den Bedürfnissen der Linienorganisation dienen.
  5. Mit Daten zu Taten: Viele Unternehmen funktionieren nach dem Prinzip der Aufbauorganisation, bestehend aus Arbeitsteilung und Kontrolle. Das ist konsequent systematisch, aber eben doch nicht systemisch. Bereits die ISO 9001:2015 fordert aber Systemgestaltung. Vieles hängt mit vielem zusammen und in einem Unternehmen (System) gibt es viele Elemente, die in ständiger Wechselbeziehung stehen. Wer also, wenn nicht der Qualitätsmanager kann dabei helfen, aus Daten Taten abzuleiten, um Neues zu erkunden?
  6. Digitale Fabrik/Industrie 4.0: Was macht eine digitale Fabrik erst möglich und erfolgreich? Industrie 4.0 und digitale Fabriken zeichnen sich durch die Digitalisierung und Transformation ganzer Geschäftsprozesse aus. Das passiert nicht linear und schon gar nicht in der klassischen Aufbauorganisation. Auch machen die neuen, hochkomplexen Prozesse nicht vor Abteilungsgrenzen oder sogar Unternehmensgrenzen halt. Engagierte Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement, welche sich bestens in den Unternehmensprozessen auskennen, kundenorientiert handeln und trainiert sind auf den Ausgleich interessierter Parteien, leisten einen großen Beitrag für die erfolgreiche Transformation von Geschäftsprozessen und somit auch bei der Gestaltung digitaler Fabriken.
  7. Kontext und Moral: Die Anforderungen in der ISO 9001:2015 mit Blick auf den Zweck der Organisation, die Frage nach der Mission, die Identifikation, den Umgang mit Einflussfaktoren und Erwartungen: All das fließt in die Qualitätspolitik. Und wenn die Qualitätspolitik nicht ausschließlich werbewirksam auf der Website eines Unternehmens präsentiert, sondern auch gelebt wird, liegt hier ein immens wichtiges Handlungsfeld für den Qualitätsmanager.
  8. Effektivität und Effizienz: Natürlich steht auch das Qualitätsmanagement im Spannungsdreieck bestehend aus Qualität, Zeit und Kosten. Verschwendung vermeiden und möglichst effektiv sowie effizient produzieren ist vielfach erstes Gebot. Auf Basis guter Planung, fähiger Mitarbeiter und mit Kennzahlen gelenkter Prozesse leistet hier auch das Qualitätsmanagement seinen Beitrag für effiziente, effektive Prozesse und trägt somit zu höherer Produktivität sowie Vermeidung von Fehlern und Ausschuss bei.
  9. Veränderung und Zukunft: Leistet modernes Qualitätsmanagement nicht zugleich auch einen Beitrag zur Organisationsentwicklung? Vielfach im mittleren Management positioniert, entzieht sich mancher Qualitätsmanager heute noch der Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung bei den anstehenden, großen Veränderungen in Unternehmen. Dabei liegt seit der Revision der ISO 9001:2015 eine überarbeitete Handlungsaufforderung für ein systemisches Vorgehensmodell, auch zur Organisationsentwicklung, vor. Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Veränderungen in den Geschäftsmodellen nehmen keine Rücksicht auf Abteilungsgrenzen und machen auch keinen Halt vor dem Aufgabenfeld des Qualitätsmanagers.

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