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Qualitätsmanagement

ISO gut, alles gut? Ein Statement von Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff / 28.10.2021

Die wichtigste Qualitätsmanagementnorm ISO 9001 bleibt vorerst unverändert bestehen. Das hat, wie berichtet, das zuständige technische Komitee der ISO nach einer entsprechenden Abstimmung bekanntgegeben. Benedikt Sommerhoff erklärt, was er von dieser Entscheidung hält und wie er die aktuelle Fassung der ISO 9001 beurteilt.

Wie beurteilen Sie die Entscheidung, die ISO 9001:2015 unverändert zu bestätigen?

In einer Zeit, in der es rasante Innovations- und Veränderungsdynamiken, auch Disruptionen in Gesellschaft und Wirtschaft gibt, finde ich es anachronistisch, diese wichtige Norm unverändert zu lassen. Es gab eine internationale Befragung, in der sich die Mehrheit der Teilnehmer gegen eine Revision entschieden hat. Mich würden die Motive interessieren. Ich vermute, dass gerade wegen der akuten Dynamiken viele keine Zeit für und keine Lust auf den mit einer Revision einhergehenden Zusatzaufwand haben. Und ehrlich gesagt ist die Norm ja auch gut genug. Alles, was darin steht, ist vernünftig.

Welche Änderungen in der ISO 9001 würden Sie sich wünschen?

Ich hätte mir gewünscht, dass sie explizit sagt, dass agile Produktentwicklung zulässig ist und überhaupt Agilität ein zulässiges Konzept ist. Dabei ist die Revision 2015 aus meiner Sicht bereits gut für agile Organisationen geeignet, schränkt sie nicht unangemessen ein bzw. stellt legitime Anforderungen auf, die auch eine hochgradig agile Organisation erfüllen kann. Doch viele Anwender, besonders Auditoren, sind diesbezüglich sehr unsicher. Es wäre schlimm, wenn unter Berufung auf die ISO 9001 eine Organisation weniger agil wäre, als sie eigentlich will und muss. Oder dass sie ständig fruchtlose Diskussionen mit Qualitätsmanagern oder Auditoren darüber führen muss.

Dr.Sommerhoff

Welche Schmerzpunkte gibt es bei der ISO 9001 für Unternehmen derzeit?

Da bin ich frech und sage, ich erkenne die ISO 9001 nicht als Quelle für Schmerzen. Es sind eher die eigene Q-Strategie oder die eigene Qualitätskultur oder die ungelösten Qualitätsprobleme, die in Unternehmen Schmerzen bereiten. Qualitätsmanager:innen tun sich in meinen Augen verblüffend schwer damit, die Marginalität der ISO 9001 zu erkennen. Da stehen einige wenige total vernünftige Anforderungen drin und nichts Unsinniges. Um in hochkompetitiven Märkten zu bestehen, muss man mindestens diese und in der Regel viel mehr Anforderungen erfüllen. Die vielen reifen Unternehmen, die es in Deutschland gibt, bräuchten die ISO 9001 nicht zu kennen und würden ohnehin vom Gesetzgeber, dem eigenen Markt und den eigenen Kunden dazu gedrängt, Anforderungen zu erfüllen, die auch die ISO 9001 stellt.

Was können Unternehmen tun, um die Vorgaben der ISO 9001 noch besser umzusetzen?

Was heißt hier „besser“? Viele könnten weniger tun und damit viele Ressourcen sparen und stattdessen in Wertschöpfung und strategische Transformation investieren. Viele könnten ihre QM-Systeme verschlanken, denn mit ihnen erfüllen sie längst obsolete Forderungen längst revidierter Ausgaben der ISO 9001. Ein Beispiel ist die Dokumentation. Viele moderne Unternehmen haben in ihren wichtigsten Prozessen softwaregestütze Workflows installiert. Dort ist alles verbindlich geregelt und die Prozesse und Workflows erfüllen hoffentlich alle gesetzlichen und normativen Anforderungen. Darüber hinaus brauchen Prozessmitarbeiter kein einziges papiernes oder digitales Dokument.

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