Qualität – Pflicht oder Chance?

Doch was ist Qualität überhaupt? Die ISO 9000 (Grundlagen und Begriffe zu Qualitätsmanagementsystemen) definiert Qualität als „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines Objekts Anforderungen erfüllt“. Anforderungen können von unterschiedlichen interessierten Parteien (wie Kunden oder Gesetzgebern) kommen. Sie zu erfüllen, ist in vielen Fällen eine Pflicht – etwa, um bestimmte gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, um Vereinbarungen mit dem Kunden einzuhalten oder eine notwendige Zertifizierung zu erhalten.

Werden Anforderungen anderseits nicht erfüllt, dann hat das Konsequenzen – etwa für die Kundenbeziehungen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit und damit im Zweifel die Existenz des Unternehmens. Viele Firmen richten ihr Qualitätsmanagement demnach darauf aus, Normen und Kundenanforderungen zu erfüllen, dabei Fehler zu minimieren, Reklamationen zu vermeiden – also Produkte in hoher Qualität zu liefern.

In diesem Fall erscheint Qualität also als Pflichtaufgabe. Die meisten Unternehmen beherrschen diese mithilfe eines aufwendigen Qualitätsmanagements sehr gut. Aus der Sicht von Babtec-Geschäftsführer Michael Flunkert kann man hier von einem Qualitätsmanagement im klassischen Sinn sprechen.

Aber: „Der unternehmerische Anspruch einer Geschäftsleitung sollte heute ein anderer sein“, schreibt Flunkert. „In einer guten Unternehmensführung – wie in der ISO 9001 beschrieben – ist Qualität keine Pflichtübung, sondern der Wille einer guten Unternehmensleitung.“ Anspruch und Ziel von Unternehmern müsse demnach sein, am Markt im Sinne der Kunden zu agieren. Dazu gehöre es, nicht nur den Erwartungen des Marktes gerecht zu werden, sondern diese zu übertreffen und neuen Bedarf zu schaffen. Wettbewerbsvorteil und Alleinstellungsmerkmal seien Mittel, um sich erfolgreich am Markt zu behaupten.

Über das oben beschriebene, klassische Verständnis von Qualität als Pflichterfüllung hinaus, treten hier also Chancen in den Vordergrund, die sich durch einen hohen Qualitätsanspruch ergeben. Hier ist die Rede von einem Verständnis von Qualität, das weit über das Produkt hinausgeht. Was dies nicht nur für Qualitätsmanager:innen, sondern auch für die Unternehmensleitung und darüber hinaus für alle im Unternehmen bedeutet, lesen Sie im Essay „Ist Qualität in Ihrem Unternehmen Chefsache?“ von Michael Flunkert.

Aufbauend auf diesem Verständnis lohnt sich ein Blick auf den Umgang mit Chancen. Diesem widmet sich Dr. Markus Reimer, Qualitätsauditor und Keynote Speaker. Er geht davon aus, dass Chancen oft „lediglich darin gesehen werden, gesetzte Ziele zu erreichen“. Es sei jedoch vielmehr das Unerwartete, aus dem sich Chancen (genauso wie Risiken) ergäben.

So sei es „vom unternehmerischen Grundsatz her gesehen Pflicht, Chancen frühzeitig als Chance zu erkennen“ – zum einen, weil ansonsten Wettbewerber diese Chancen stattdessen nutzen könnten, und zum anderen, weil sich Märkte auch vom eigenen Unternehmen wegentwickeln könnten. Deshalb: „Wir brauchen den Fokus auf die Chance, Chancen zu erkennen.“ Interessanterweise fordert die Managementnorm ISO 9001 sogar explizit die Bestimmung von zu behandelnden (Risiken und) Chancen, die unter anderem „zur Übernahme neuer Praktiken […], der Markteinführung neuer Produkte, der Erschließung neuer Märkte, Neukundengewinnung, Aufbau von Partnerschaften, Einsatz neuer Techniken“ führen können.

Qualität ist und bleibt also zweifelsohne eine Pflicht für Unternehmen, und noch wenige verstehen sie darüber hinaus als Chance. Und letztlich ist es in diesem Sinne sowohl aus normativer als auch aus unternehmerischer Sicht eine Pflicht, diese Chance zu erkennen und zu nutzen.

Wenn Sie mehr über das Thema Chancen erfahren möchten, lesen Sie gerne den Artikel „Chancenchance“ von Dr. Markus Reimer im aktuellen Q.Magazin 2023/24.