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Damit wir nicht den Anschluss verlieren, muss sich auch unser Qualitätsmanagement grundlegend wandeln. Um erfolgreich zu bleiben, braucht es neben harter Arbeit und Innovationskraft vor allem den Mut, Neues zu wagen. Unser Gastautor Dr. Benedikt Sommerhoff verrät, wie das gelingen kann.
Wir befinden uns zu Beginn der vierten industriellen Revolution. Sie hat vor vielen Jahren sanft begonnen, inzwischen meldet sie sich mit immer häufigeren Paukenschlägen und wird noch jahrzehntelang weiter voranschreiten. Im Alltag ist sie für viele von uns präsenter und realer als im Berufsleben: Ganz selbstverständlich nutzen wir Technik und Dienste, die wir noch vor wenigen Jahren für Science-Fiction gehalten haben. Eklatantes Beispiel ist das iPhone von Apple, das jetzt zehn Jahre alt geworden ist und für das es heute viele gleichwertige Alternativen gibt. Das iPhone hat schneller und umfassender das Leben von Milliarden verändert als die Elektrifizierung, das Automobil oder der Computer. Was uns allerdings einlullt, ist, dass wir die technische Entwicklung trotz dieser Meilensteine eher als evolutionär erleben, gar nicht als revolutionär. Die gesellschaftlichen Entwicklungen allerdings sind revolutionär.
Ein einzelner Mann bringt mit 140- Zeichen-Nachrichten Börsen zum Beben, Bündnisse zum Schwanken, die ganze Welt in Wallung. Extreme Automatisierung – nicht nur von Logistik und Handling, sondern vor allem von Bürotätigkeiten – wird weltweit Millionen Arbeitsplätze ersetzen. Dies wird in keinem geringeren Maße geschehen als zu Zeiten der ersten industriellen Revolution, die das Gesicht der Welt, die Nationen und Gesellschaften gravierend transformiert hat. Deutschland ist ein saturiertes Land, seine Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten viel erreicht und viel zu verlieren. Wir sind staatgewordene Komfortzone, unser Maschinenbau und unsere Automobilindustrie sind Weltklasse.
Wir sind dabei, den Anschluss zu verlieren, haben datenbasierte Geschäftsmodelle, autonomes Fahren und Elektromobilität weitestgehend verschlafen. Unsere Schlüsselindustrien sind in höchster Gefahr, werden angegriffen von sehr jungen, aber inzwischen gigantischen Technologieunternehmen und Start-ups wie Tesla. Tesla hat noch nie Geld verdient, sagen gestandene deutsche Automanager. Tesla schramme am Rande der Insolvenz entlang. Ja und? Es scheint nicht Elon Musks Ziel zu sein, Geld mit Tesla zu verdienen. Der Mann hat eine Vision und befindet sich auf einer Mission, die Welt zu verändern. Und das gelingt ihm. Ist Tesla unmoralisch, weil es neue Technik im realen Verkehr testet und dabei Menschen sterben? Wenn damit das autonome Fahren zwei Jahre früher kommt, werden so vielleicht viele Tausend Menschen weniger sterben, weil es sicherer ist als der menschliche Fahrer. Experten sagen, technisch sei die deutsche Automobilindustrie weiter als Tesla. Sie kommt aber nicht aus dem Labor heraus, kommt einfach nicht auf die Straße. Dies verdeutlicht einen fundamentalen Unterschied der neuen 4.0-Unternehmen, die beginnen, die USA und Asien zu prägen, zu den alten 3.0-Unternehmen, die Deutschland prägen.
Die Neuen sind adaptiv, umwälzend, agil, umsetzungsstark, visionär, iterativ, experimentell – und einige sind wirtschaftlich enorm erfolgreich. Die Deutschen sind hardwareverliebt, bedächtig, sicherheitsbedacht, langsam und ja, auch arrogant. Deutsche Unternehmen sind spezialisiert durch und für die dritte industrielle Revolution. Die vierte basiert auf völlig anderen Paradigmen. So bildet das Internet bzw. das Internet der Dinge zwar den technologischen Kern der Industrie 4.0, wie die Dampfmaschine den der Industrie 1.0; das revolutionäre ist aber nicht die Technik, sondern dass das Internet einen neuen und neuartigen sozialen Handlungsraum bildet, der erst in den letzten Jahren so richtig zur Entfaltung kommt. In ihm und für ihn entstehen völlig neuartige Geschäftsmodelle und Erfolgsmechanismen. Wer das Internet nur als technisches Vernetzungsinstrument, als einen weiteren Datenübertragungskanal sieht, hat sein eigentliches Potenzial verkannt. Das Internet ermöglicht z.B. eine ständige Kundeninteraktion, kreiert ganz neuartige Bedürfnisse.
Agilität ist eine Schlüsselkompetenz der vierten industriellen Revolution. Agilität meint die schnelle, adaptive, aber auch proaktive und selbst das Umfeld transformierende Veränderungsfähigkeit. Agile Unternehmen können sich blitzschnell neu orientieren, Neues erfinden und umsetzen. Agile Organisationen sind deshalb hierarchiearm, ihre Mitarbeiter sind nach innen und außen hochgradig vernetzt, sie sind menschen-und bedürfniszentriert. Anders als wir: Das typische deutsche Unternehmen ist innovativ und flexibel, aber nicht agil und auch nicht disruptiv.
Wir sehen jetzt schon einzelne agile Unternehmen oder agile Bereiche in Unternehmen, vorwiegend deren Entwicklungsbereiche. Sie arbeiten mit agilen Methoden wie Scrum und Design Thinking. Ihre Kulturen unterscheiden sich von klassischen deutschen Unternehmenskulturen, ihre Strukturen, Regelwerke und Systeme sind anders als gewohnt. Und in ihnen funktionieren klassische Qualitätsmanagementansätze nicht mehr, lösen sogar Friktion und Abwehr aus. Wir brauchen also neue, agilitätstaugliche Qualitätsmanagementansätze. Nicht weil das bisherige QM falsch war, sondern weil die Voraussetzungen, Anforderungen und Möglichkeiten im Zuge der akuten industriellen Revolution sich so grundlegend ändern. Es liegt an uns – den Führungskräften, den Ingenieuren, den IT-Experten in den Unternehmen – uns auf die neuen Dynamiken einzulassen, uns nicht von Angst, sondern von dem Innovations- und Gestaltungswillen leiten zu lassen, den wir für die Industrie 3.0 so gut kanalisiert hatten. Wir müssen uns allerdings auf die neuartigen Mechanismen der digitalen Transformation einlassen. Und es liegt an uns, den Qualitätsmanagern, das QM grundlegend neu für eine grundlegend neue Welt zu kreieren.
Auch die DGQ sieht sich am Beginn einer neuen Zeit und hat beschlossen, gemeinsam mit den Pionieren der digitalen Transformation das Qualitätsmanagement neu zu denken. Eine Grundlage dafür bietet das in den Fachkreisen der DGQ entstandene Manifest für Agiles Qualitätsmanagement. Darin werden sieben an die revidierte ISO 9001 angelehnte agile Grundsätze definiert, welche Unternehmen als Orientierungshilfe dienen können.
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Aus Themen wie Industrie 4.0 und Big Data sowie Produktsicherheit und Produkthaftung ergibt sich eine kritische Masse, die das gesamte Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Warum nicht die Chance ergreifen und auch die Rolle des Qualitätsmanagements neu definieren? Ich will mir als... weiterlesen
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