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Unzählige große Rückrufaktionen weisen immer wieder darauf hin, wie dramatisch sich Produktfehler auf ein Unternehmen auswirken können. Auch mit rechtlichen Konsequenzen muss das Unternehmen rechnen. Ob und wann der Geschäftsführer einer GmbH zivilrechtlich haftbar ist, erklären Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann und Niklas Weidner.
Na klar, für die Sicherheit eines Produktes ist der Hersteller verantwortlich. Dessen sind sich produzierende Unternehmen in der Regel bewusst. Aber wie sieht es mit der Haftung der Geschäftsführung aus? Darüber bestehen vielfach noch große Unsicherheiten. Wenn das Produkt nicht den Erwartungen und Normen entspricht, kann dann die Geschäftsführung durch die Nutzer persönlich haftbar gemacht werden?
Wesentliche Merkmale einer GmbH sind der Grundsatz der Organhaftung und das Trennungsprinzip. Demnach haftet die Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen. Eine persönliche Haftung der Geschäftsführung kommt nur unter weiteren, besonderen Umständen in Betracht. Die persönliche Haftung für Produktfehler ist grundsätzlich weder vertraglich noch außervertraglich vorgesehen. Im GmbH-Gesetz regelt Paragraf 43 die zentrale Haftung des Geschäftsführers. Der besagt, dass die Geschäftsführung in den Angelegenheiten der Gesellschaft „die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ hat. Das bedeutet, sie muss dafür sorgen, dass das Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Rechtsverstöße des Unternehmens erfolgen. Verletzt der Geschäftsführer bestimmte Verhaltenspflichten, resultieren hieraus Ansprüche der Gesellschaft, wenn ihr daraus Schäden entstanden sind. Im Verhältnis zu außenstehenden Dritten haftet der Geschäftsführer allerdings nicht, denn seine Pflichten bestehen lediglich gegenüber der Gesellschaft.
Sollte durch ein fehlerhaftes Produkt jemand zu Schaden kommen, steht ihm laut Produkthaftungsgesetz Schadensersatz zu, den der Hersteller zu leisten hat. Dieser haftet verschuldensunabhängig für Schäden an Leib und Leben des Kunden. Das bedeutet, dass der Hersteller haftet, ohne dass ihn in der Konstruktion, Fabrikation oder Bedienungsanweisung zu seinem Produkt ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit treffen muss. Der Grund für diese als sogenannte Gefährdungshaftung ausgestaltete Einstandspflicht besteht in der Gefahrenquelle in Gestalt des unsicheren Produkts, das der Hersteller in den Rechtsverkehr eingeführt hat. Eine solche Haftung besteht übrigens auch für Schäden an anderen Sachen, die durch sein fehlerhaftes Produkt verursacht wurden. Haftbar ist hier immer der Hersteller des Produktes, das heißt derjenige, der das Endprodukt oder auch einen Grundstoff oder ein Teilprodukt davon hergestellt hat; aber auch derjenige, der sich durch Anbringen seines Namens oder seiner Marke als Hersteller ausgibt. Das ist in der Regel die GmbH. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers kommt daher nicht in Frage. Darüber hinaus regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die sogenannte „Produzentenhaftung“, die weiter als die Produkthaftung reicht. Während diese lediglich Fabrikations-, Konstruktions- und Instruktionsfehler einschließt, begründet die Produzentenhaftung auch Produktbeobachtungspflichten. Das bedeutet, dass der Hersteller sein Produkt im Markt beobachten muss und auch für die Sicherheit im Zusammenspiel mit anderen Produkten haftet. Andererseits ist – im Gegensatz zur Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz – hier ein Verschulden des Herstellers erforderlich. Bei erfolgtem Beweis eines Fehlers wird dieses jedoch vermutet, sodass der Hersteller in diesem Fall Beweise vorlegen muss, die ihn entlasten. Die Produzentenhaftung betrifft aber genau wie die Produkthaftung nur die GmbH als Herstellerin, nicht ihren Geschäftsführer.
Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers kann, aufgrund des beschriebenen Trennungsprinzips, nur dann begründet werden, wenn er selbst alle Tatbestandsmerkmale der Produzentenhaftung erfüllt. Neben einem vorwerfbaren Verhalten des Geschäftsführers muss es deshalb eine kausale Verletzung eines geschützten Rechtsguts sowie einen kausalen Schaden geben. Ein Verhalten, das der Geschäftsführung vorgeworfen werden kann, ist in den Fällen fehlerhafter Produkte das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Organisation und Kontrolle des Unternehmens. Ein solches Unterlassen begründet aber nur dann eine Haftung, wenn die Geschäftsführung in Bezug auf den Geschädigten eine Art Garantenstellung einnimmt. Eine Garantenstellung besteht dann, wenn die Geschäftsführung rechtlich dafür einzustehen hat, die Rechtsgutsverletzung des Geschädigten, also des Verbrauchers, zu verhindern. Der Bundesgerichtshof fordert für eine Garantenstellung der Geschäftsführung persönliche Schutzpflichten gegenüber den geschädigten Verbrauchern, die sich aus dem Gesetz ergeben müssen. Die Pflichten zur Überwachung und Kontrolle des Unternehmens bestehen jedoch nur gegenüber der Gesellschaft. Eine Haftung für fehlerhafte Produkte gegenüber Dritten lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass die Geschäftsführung die Möglichkeit hat, auf die Produktion des Unternehmens einzuwirken.
Gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch haftet ebenso, wer ein Schutzgesetz verletzt. Ein solches stellt das Produktsicherheitsgesetz dar. Demnach darf ein Produkt nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet. Somit könnte die Geschäftsführung dazu verpflichtet sein, das Unternehmen so zu organisieren und zu kontrollieren, dass es nur sichere Produkte herstellt. Adressat des Produktsicherheitsgesetzes ist wiederum in erster Linie der Hersteller. Somit trifft die Pflicht zur Bereitstellung sicherer Produkte auf dem Markt die GmbH als Herstellerin, aber nicht die Geschäftsführung. Diese ist lediglich im Innenverhältnis zu einer geeigneten Organisation und Überwachung verpflichtet. Eine Außenhaftung der Geschäftsführung für unsichere Produkte resultiert auch daraus nicht.
Der Geschäftsführer haftet also zivilrechtlich in der Regel nicht gegenüber Dritten für fehlerhafte Produkte der GmbH – dafür sorgen die beschriebene Organhaftung und das Trennungsprinzip. Seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation und Kontrolle besteht nur gegenüber der Gesellschaft. Damit eine persönliche Haftung der Geschäftsführung begründet wird, muss diese gegenüber dem Geschädigten eine Garantenstellung einnehmen. Die wiederum kann sich nur aus Umständen ergeben, die die Geschäftsführung dazu verpflichten, die Verletzung des Geschädigten abzuwenden. Die GmbH bleibt somit primäres Haftungssubjekt. Ergeben sich Anhaltspunkte für die Gesellschaft, dass der Geschäftsführer gegen seine im Innenverhältnis bestehenden Pflichten verstoßen hat, kann sie ihn dafür unter Umständen haftbar machen. Darüber hinaus ist in Fällen fehlerhafter Produkte eine strafrechtliche Haftung des Geschäftsführers denkbar.
Daniel Wuhrmann ist Partner der Kanzlei reuschlaw Legal Consultants. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht, Gewährleistungsmanagement, Vertragsgestaltung und -verhandlung, Versicherungsrecht und Compliancethemen im Automotive- und Mobilitykontext.
Niklas Weidner berät als Legal Counsel der Scout24 SE die gesamte Scout-Gruppe mit der Hauptmarke ImmoScout24. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im E- und M-Commerce, dort vor allem in den Bereichen IT-Recht, Wettbewerbsrecht, Domain- und Markenrecht sowie Verbraucherrecht.
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